28. Juni 2019, 16:00

Aktien-Analyse: Carrefour – Was steckt hinter dem Rückzug aus China?

++ Carrefour gab Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der chinesischen Einheit bekannt ++ ?Carrefour China? belastete in den vergangenen Jahren den gesamten Konzern ++ Unternehmen will sich stärker auf französischen Kernmarkt konzentrieren ++ Restrukturierungsprozess bringt dem Unternehmen Kosteneinsparungen ++ Aktienkurs konnte sich von langfristiger Unterstützungszone erholen ++

Carrefour (CA.FR / ISIN: FR0000120172), der französische Einzelhändler mit breiter internationaler Präsenz, gab Anfang der Woche bekannt, dass es einen Großteil seines China-Geschäfts veräußern wird. Der Schritt mag seltsam erscheinen, da China der am schnellsten wachsende Lebensmittelmarkt der Welt ist. In dieser kurzen Analyse werfen wir einen Blick auf die Gründe dafür sowie die laufende Restrukturierung des Unternehmens.

Der Umsatz von Carrefour wuchs im Vergleich zu Beginn der Jahrtausende kaum. Allerdings hat sich das Ergebnis des Unternehmens in Folge der globalen Finanzkrise deutlich verschlechtert. Die solide Verbesserung der EBITDA-Marge in der zweiten Jahreshälfte 2018 deutet darauf hin, dass die kostensenkende Restrukturierung des Unternehmens Früchte trägt. Quelle: Bloomberg, XTB Research

Anfang der Woche wurde angekündigt, dass Carrefour 80% der Anteile an seiner Tochtergesellschaft ?Carrefour China? an Sunning.com, einen der größten chinesischen Einzelhändler, verkaufen wird. Das französische Unternehmen erhält für seine Beteiligung 620 Mio. EUR und bewertet die Tochtergesellschaft mit 1,4 Mrd. EUR – einschließlich Schulden. Carrefour wird auch die Möglichkeit erhalten, die verbleibende Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen. Der EV/EBITDA-Multiplikator für die Transaktion liegt bei einem Faktor von 21. Es ist jedoch nicht der gute Preis, sondern die schlechten Erträge, die für dieses Niveau verantwortlich sind. Tatsächlich liegt der Umsatzmultiplikator (Kurs-Umsatz-Verhältnis) der Tochtergesellschaft unter 0,2. Zum Vergleich weist der Branchendurchschnitt einen Wert von 0,8 auf. In diesem Kontext scheint Carrefour tatsächlich die Mehrheitsbeteiligung an seiner chinesischen Einheit mit einem enormen Rabatt zu verkaufen. Was bewegt ein Unternehmen zu solch einem Rückzug aus einem schnell wachsenden Markt wie China? Werfen wir einen genaueren Blick auf die Umstände.

Asien ist für die westlichen Unternehmen aufgrund seines schnellen Wirtschaftswachstums und seiner hohen Bevölkerungszahl ein vielversprechender Markt. Dennoch kämpfte Carrefour darum, dieses Potenzial zu nutzen. Wie aus der obigen Grafik ersichtlich ist, war Asien die Region, die für den französischen Einzelhändler den geringsten Umsatz erzielte. Darüber hinaus war es auch die Region, die in den letzten zehn Jahren in fast jedem Jahr einen Rückgang der Umsätze verzeichnete. Quelle: Bloomberg, XTB Research

Carrefour ist nicht der einzige westliche Einzelhändler, der sein Glück in China versuchte. Größen wie Walmart (WMT.US / US9311421039) oder Tesco (TSC.UK / ISIN: GB0008847096) suchten auch im bevölkerungsreichsten Land der Welt nach einer Möglichkeit, Gewinne zu erzielen. Am Anfang war sogar der Eindruck entstanden, dass sie dort Erfolg haben könnten. Allerdings sind ausländische Unternehmen in China oft Opfer von diplomatischen Auseinandersetzungen. Dies war im Jahr 2008 der Fall, als Frankreich den China-Tibet-Konflikt während der Olympischen Spiele zum Thema machte. Damals wurde der Dalai Lama zum Ehrenbürger von Paris ernannt. Als Reaktion darauf beschlossen die Chinesen, Carrefour zu boykottieren, um das europäische Land zu bestrafen. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, der den westlichen Einzelhändlern den Wettbewerb in China erschwert. Online-Lebensmittel, die taggleiche Lieferungen und wettbewerbsfähige Preise anbieten, gewannen die Attraktivität des chinesischen Volkes. Walmart, Tesco oder Carrefour hatten es schwer, mit diesen Unternehmen online zu konkurrieren und ihre SB-Warenhäuser zu unterhalten. Hypermärkte halten heute einen Anteil von 20% am chinesischen Einzelhandelsmarkt, gegenüber rund 25% zu Beginn des Jahrzehnts. Im Gegenzug entschieden sich alle der oben genannten westlichen Einzelhändler, sich aus China zurückzuziehen.

Noch schlimmer wird es, wenn man einen Blick auf die Betriebsergebniszahlen wirft. Asien blieb nicht nur hinter jeder anderen Region zurück, sondern verzeichnete in wenigen Perioden sogar operative Verluste. Es überrascht nicht, dass es auch die Region mit den schwächsten Margen ist. Quelle: Bloomberg, XTB Research

Dies erscheint gerechtfertigt, da das Geschäft von Carrefour in China in den Vorjahren Verluste verzeichnete. Das Unternehmen hat 2018 einen Restrukturierungsplan gestartet, zu dem auch der Rückzug aus China gehört. Das Unternehmen wird sich nun stärker auf seine Kernmärkte – wie beispielsweise den Heimatmarkt Frankreich – konzentrieren können. In der Heimat kämpft das Unternehmen mit zunehmender Konkurrenz durch inländische Einzelhändler und steigendem Marktanteil des US-eCommerce-Giganten Amazon. Im ersten Jahr der Restrukturierung hat das Unternehmen einen erheblichen Stellenabbau vorgenommen, was zu Einsparungen von 1,05 Mrd. EUR führte. Dies war mehr als ursprünglich erwartet, sodass das Unternehmen beschloss, das Kostensenkungsziel bis 2020 auf 2,8 Mrd. EUR (vorher 2 Mrd. EUR) anzuheben. Darüber hinaus hat das Unternehmen Einkaufsvereinbarungen mit anderen Einzelhändlern wie Tesco oder Système U abgeschlossen. Dank dieser Vereinbarung verfügen die Unternehmen nun über eine größere Verhandlungsmacht und können sich niedrigere Preise von Lieferanten sichern. Nach Angaben des Unternehmens sollen die positiven Auswirkungen dieser Vereinbarungen ab 2019 sichtbar werden.

Carrefour musste seine Dividendenausschüttung Anfang des Jahrzehnts kürzen, da das Unternehmen mit den Folgen der globalen Finanzkrise zu kämpfen hatte. Da jedoch auch der Aktienkurs des Unternehmens sank, war die Dividendenrendite 2018 sogar höher als in der Vorkrisenzeit. Quelle: Bloomberg, XTB Research

Carrefour kann als starker Dividendentitel bezeichnet werden. Der französische Einzelhändler schüttet seit mehr als zwei Jahrzehnten jedes Jahr Gewinne an die Aktionären aus. Vor der globalen Finanzkrise stieg auch die jährliche Dividendenausschüttung pro Aktie. Dennoch war Carrefour nach den Folgen der Finanzkrise gezwungen, seine Dividende 2011 um mehr als die Hälfte zu kürzen, da die vorherige Ausschüttung nur schwer gehalten werden konnte. Der Aktienkurs des Unternehmens verzeichnete jedoch während der Finanzkrise einen Rückgang in ähnlichem Ausmaß, sodass die aktuelle Dividendenrendite sogar noch höher ist als in der Vorkrisenzeit. Die laufende Restrukturierung sowie der Rückzug aus China deuten darauf hin, dass das Unternehmen auch in Zukunft seine Dividendenfähigkeit beibehalten wird, was es für die langfristigen Investoren interessant macht, insbesondere in Zeiten niedriger oder sogar negativer Renditen bei europäischen Staatspapieren.

Der Aktienkurs von Carrefour erholte sich von einer langfristigen Unterstützungszone (16,35 EUR bis 16,65 EUR) und konnte die 200-Tage-Linie zurückerobern. Die Aktie wird in einem symmetrischen Keilmuster gehandelt. Die Kursspanne verengt sich und ein Bruch sollte spätestens im August/September erfolgen. Die Richtung des Bruchs könnte den Trend für die nahe Zukunft bestimmen. Quelle: xStation 5

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Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten derzeit nicht investiert.

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Maximilian Wienke

Maximilian Wienke ist als Marktanalyst bei XTB Deutschland tätig. Er befasst sich mit Indizes, Devisen, Rohstoffen, Kryptowährungen und einzelnen Aktien. Der Zeithorizont ist dabei kurzfristig und richtet sich an Anleger mit einer moderaten oder spekulativen Risikoneigung.