28. Januar 2020, 18:00

Marktausblick: Ist Tesla wirklich mehr als 100 Mrd. USD wert?

Bei Bewertungen in Höhe von Billionen von US-Dollar an der Wall Street sollte eine Marktkapitalisierung von 100 Mrd. US-Dollar für ein einziges Unternehmen nicht beeindrucken, geschweige denn die Marktteilnehmer verblüffen. Wenn dieses dadurch jedoch zum zweitwertvollsten Automobilkonzern der Welt wird und 25 Mal weniger Fahrzeuge produziert als der drittgrößte Autobauer, könnte eine gesunde Skepsis angebracht sein. Fügt man den unglaublichen Kursanstieg hinzu, wird klar, warum die Veröffentlichung des Quartalsberichts in dieser Woche so wichtig ist. Viele Anleger sehen die Aktie als ein Beispiel für Überschwang und betrachten sie als ein Zeichen für einen breiteren Markt.  

Ist Tesla mehr wert als 100 Mrd. USD?

Tesla wurde bereits im Jahr 2017 mit 60 Mrd. USD bewertet, doch Anfang 2019 kam es zu einer deutlichen Korrektur. Seitdem übertraf Tesla (TSLA.US) schnell die Bewertungen traditioneller Automobilhersteller wie BMW (BMW.DE), Daimler (DAI.DE) und VW (VOW1.DE), obwohl sie nur einen Bruchteil ihrer Auslieferungen verkauften. Daher sind die Anleger im Moment von zwei Dingen überrascht: Eine von der Norm abweichende Bewertung (Kennzahlen) und dem Tempo der jüngsten Gewinne.

Bei der Tesla-Bewertung geht es um die Zukunft. Im Vergleich zu den größten Automobilherstellern wird derzeit nur ein Bruchteil der Fahrzeuge produziert. Quelle: XTB Research
 

Es ist offensichtlich, dass Tesla-Aktien aktuell unentschuldbar teuer sind. Im Vergleich zu anderen großen Automobilherstellern ist Tesla der einzige, der in den letzten vier Quartalen keinen Gewinn erzielt hat. Die Märkte erwarten, dass sich dies ändern wird, aber selbst dann würde das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) nahe bei 85 liegen, verglichen mit 12 für Toyota oder 6 für VW. Die Gewinne sind volatil und anfällig für buchhalterische Tricks, sodass das Verhältnis von Kurs zu Umsatz (KUV) oft zuverlässiger ist. Dieses liegt für Tesla bei 4,2 – das bedeutet, dass die Anleger für jeden umgesetzten US-Dollar 4,2 US-Dollar zahlen. Bei der erneuten Gegenprüfung liegt dieses Verhältnis für Daimler bei 0,27 und für Toyota bei 0,83. Eine Ausnahme stellt Ferrari dar, da der KGV bei 38,5 und der KUV bei 7,7 liegen. Aber dies ist offensichtlich ein auffallend anderes Unternehmen, das viel mehr als nur Transportmittel verkauft und eine unübertroffene Kapitalrendite von 55% erzielt. Tesla konkurriert mit Unternehmen wie BMW, Daimler oder Porsche. Nach den Zahlen müsste sie, gemessen am Umsatz, etwa 10-mal so groß sein. Die Bullen argumentieren jedoch, dass Tesla aufgrund seiner Energie und seiner autonomen Fahrsparten nicht nur als Autohersteller, sondern als Technologieunternehmen angesehen werden sollte. Dies ist zwar richtig, diese Bereiche des Unternehmens sind allerdings noch schwerer zu bewerten. Sie tragen weniger als 20% zum Gesamtumsatz bei, sodass man sagen könnte, dass der Automobilsektor etwa 8-mal größer sein müsste, um eine entsprechende Zahl zu erreichen. Natürlich gibt es viele Variablen, die berücksichtigt werden sollten – der Zeithorizont, das Wachstum der Wettbewerber, Änderungen der Vorschriften, die Konkurrenz durch alternative Energiequellen oder sogar die Ölpreise. Standard-DCF-Bewertungen werden in der Regel mit einem Zeithorizont von fünf Jahren durchgeführt. Wenn wir also die Realität vereinfachen, könnten wir uns die Frage stellen: Könnten die Tesla-Einnahmen in den nächsten fünf Jahren um das 8-fache steigen?  

Wird die Welt elektrisch werden?

Der Drang nach Umweltschutz ist offensichtlich, und er ist einer der Faktoren, der die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen antreibt. Es gibt allerdings viele verschiedene Blickwinkel. Auf der einen Seite werden sich die Gesellschaften der Umweltverschmutzung und der globalen Erwärmung stärker bewusst, und in vielen Kreisen ist es eine Mode, grün zu sein. Auf der anderen Seite haben diejenigen, die nicht überzeugt sind, kaum eine Wahl, da einige Städte den Umweltverschmutzern strenge Grenzen setzen und die Autohersteller in der EU CO2-Gebühren zahlen müssen. Aber wie groß wird dieser Markt sein? Ein Deloitte-Bericht schätzt ihn für das Jahr 2025 auf 12 Mio. Fahrzeuge. Das ist das optimistische Ende der Prognosen. Am anderen Ende steht der Bloomberg-Konsens mit einer Anzahl von knapp über 8 Mio. IHS Markit sieht den Anteil der Elektroautos bei 10,2%. Wenn man davon ausgeht, dass die weltweiten Autoverkäufe bis 2025 jährlich um 2% wachsen, würde dies zu einem Absatz von 9,35 Mo. führen. Tesla hatte, gemessen an den Einheiten, einen Anteil von etwa 16% am weltweiten Markt. Wenn dieser Anteil unverändert bliebe, könnte das Unternehmen 2025 etwa 1,5 Mio. Autos verkaufen, also das Vierfache der Zahl im Jahr 2019. Das würde bedeuten, dass Tesla seinen Marktanteil bis 2025 verdoppeln müsste.       

Wie sieht das Wachstumspotenzial aus?

Einer der Gründe für den immer noch relativ geringen Verkauf von Tesla-Autos sind die Produktionsbeschränkungen. Genau aus diesem Grund hat Tesla seine Fabrik in China eröffnet und plant eine weitere in Deutschland. Damit soll es auch widerstandsfähiger gegen Handelsspannungen werden. Doch selbst nach der Eröffnung der neuen Fabriken könnte das Unternehmen im Jahr 2025 nicht in der Lage sein, mehr als 1,3 bis 1,5 Mio. Autos zu produzieren, und mit der Höhe der Schulden in den Büchern könnte eine schnellere Expansion unmöglich sein. Aus der Perspektive der Kapazität wird also selbst die Aufrechterhaltung des Marktanteils eine Herausforderung darstellen. 

Die Tesla-Aktie hat sich in den vergangenen acht Monaten unglaublich schnell erholt. Quelle: xStation 5

Wird der Wettbewerb reagieren?

Die traditionellen Autohersteller sind vielleicht zu spät in den Sektor für Elektroautos eingestiegen, aber sie werden versuchen, ihren Rückstand aufzuholen. Der VW-Konzern plant, bis 2025 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge zu verkaufen, GM bis 2026 eine Million, BMW 700 Tsd. und Hyundai sowie Toyota jeweils mindestens 500 Tsd. Toyota plant allerdings sich auf die Hybrid-Fahrzeuge zu konzentrieren. Das unterstreicht zweierlei: Die Autohersteller werden um Marktanteile kämpfen, aber auch alternative Technologien könnten an Bedeutung gewinnen. Im Moment sieht es so aus, als seien Wasserstoff- oder Brennstoffzellenautos eher ein Märchen, und das elektrisch angetriebene Autos der Weg sind, wobei sich die Technologien schnell entwickeln.

Vorschau auf den Quartalsbericht

Während wir bis ins Jahr 2025 blicken müssen, um die Marktbewertung zu diskutieren, wird die kurzfristige Reaktion der Kurse vom Quartalsbericht abhängen, der diesen Mittwoch nach dem Ende der US-Sitzung veröffentlicht wird. Nachdem im 3. Quartal 2019 ein unerwarteter Gewinn von 143 Mio. US-Dollar (oder 0,8 US-Dollar pro Aktie) gemeldet wurde, sieht der Markt einen leichten Rückgang auf 125,6 Mio. US-Dollar (oder 0,71 US-Dollar pro Aktie) bei einem Umsatz von 7,05 Mrd. USD (-7,6% im Jahresvergleich) vor. Wie bereits bekannt, waren die Autoauslieferungen im 4. Quartal rekordverdächtig hoch, sodass der Konsens bei den Einnahmen etwas vorsichtig aussieht. Der Konsens für den Gewinn je Aktie ist jedoch aus mindestens zwei Gründen eine große Schätzung. Erstens war der Gewinn im 3. Quartal zum großen Teil das Ergebnis eines verbesserten KUV, das Tesla auf eine höhere Effizienz zurückführte. Wurde das während des gesamten letzten Quartals beibehalten? Oder wird es das Verhältnis wie in Q4 2018 steigen? Noch größere Überraschungen können von einem potentiellen nicht-operativen Verlust kommen. Im 3. Quartal verzeichnete Tesla hier einen wechselkursbezogenen Gewinn von 92 Mio. USD, der mit CNY-Verbindlichkeiten zusammenhängen könnte. Da die chinesische Währung im letzten Quartal stärker geworden ist, könnte dies ein Risikofaktor sein. 

Ein überraschender Nettogewinn im 3. Quartal war das Ergebnis einer höheren Kosteneffizienz, aber auch eines bedeutenden nicht-operativen Einkommens, das ein einmaliges Ereignis sein könnte. Quelle: Tesla

Fazit

Die Debatte um die Tesla-Bewertung könnte noch lange anhalten. Betrachtet man nur die Autoproduktion und die Verkaufsaussichten, so ist es schwer zu erkennen, dass sich das Unternehmen bis zum Jahr 2025 in die Nähe der Branchenbewertungen bewegen wird. Bei Tesla geht es jedoch um die Zukunft, und bei so vielen unsicheren Variablen könnte es Anleger anziehen, zumindest solange sie von den Vorteilen des Unternehmens überzeugt sind. 
 

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Maximilian Wienke

Maximilian Wienke ist als Marktanalyst bei XTB Deutschland tätig. Er befasst sich mit Indizes, Devisen, Rohstoffen, Kryptowährungen und einzelnen Aktien. Der Zeithorizont ist dabei kurzfristig und richtet sich an Anleger mit einer moderaten oder spekulativen Risikoneigung.