Analyse des SNB Debakels: Die Nachschusspflicht bricht vielen das Genick

Forex Casino mit NachschusspflichtVergangenen Donnerstag hat die Schweizer Nationalbank (SNB) die Bindung an den Schweizer Franken aufgehoben. Viele Broker gerieten daraufhin in die Nachschusspflicht und einige konnten den Anforderungen nicht nachkommen und gerieten in Schieflage.

Wir analysieren in diesem Artikel, wie es soweit kommen konnte und wie es sich mit der Nachschusspflicht verhält.

Der Schweizer Franken (CHF) galt seit jeher als sicherer Hafen. Auch wenn der Franken relativ illiquide ist. Seit der Euro-Krise begannen viele Marktteilnehmer, ihr Geld im Schweizer Franken zu parken. In der Folge legte der Franken gegenüber anderen Währungen wie dem Euro an Wert zu. Da dies negative Konsequenzen für die schweizer Exportwirtschaft und den Tourismus zur Folge hatte, beschloss die Schweizerische Nationalbank (SNB), in den Währungsmarkt einzugreifen und den Schweizer Franken gegen dem Euro an das Niveau von 1,20 EUR zu binden.

Marketmaker SNB

Der Interventionsmechanismus war der folgende: Wenn ein Marktteilnehmer in der Nähe von EUR/CHF 1.20 Schweizer Franken kaufte, trat die SNB ebenfalls als Käufer am Markt auf, stellte die Gegenpartei und kaufte die Devisen an. Sie war der alleinige Aufkäufer von Devisen gegen den Schweizer Franken.

Die SNB fungierte sozusagen als Market Maker und sorgte für eine künstliche Nachfrage, um den Schweizer Franken in der Nähe des veranschlagten Kurses von 1,20 EUR zu halten. Die SNB, die theoretisch unbegrenzt Zugriff auf den Schweizer Franken hat, kaufte alles auf und blähte damit Ihre Bilanz mit Devisenreserven auf – vor allem in Euro.

Mit der wieder erstarkten Euro-Krise setzt der Euro gegenüber dem US Dollar seinen freien Fall fort. Innerhalb von 12 Monaten gab der Devisenkurs EUR/USD von knapp 1,40 auf zuletzt unter 1,16 nach. Das wurde der SNB nun anscheinend zu teuer und sie beschloss plötzlich und ?angeblich unerwartet? die Bindung an den EUR aufzuheben.

Was bedeutet dies?

Die SNB beschloss ab sofort keine Devisen mehr aufzukaufen, um den Schweizer Franken gegen den EUR auf dem 1,20 EUR/CHF Level zu halten. Somit fiel der einzige Käufer im Markt auf einen Schlag aus.

Warum ist dies nun so bitter für Broker und deren Kunden?

Seit nunmehr 3 Jahren währte die Bindung an den EUR. Jeder wusste, dass die SNB den Kurs des Schweizer Franken auf dem Niveau von 1,20 EUR/CHF halten wird. Trotzdem gab es Schwankungen um diesen Bereich.

Einige, vermeindlich clevere, Marktteilnehmer wussten nun diese Marktbewegungen auszunutzen und daraus Profit zu schlagen.

Euro Schweizer Franken Nachschusspflicht

Quelle: finanzen.net (>> Klick zum Vergrößern)

Sie kauften nun jeden Rücksetzer unter 1,20 EUR/CHF zu und vertrauen darauf, dass die SNB intervenierte und den Kurs entsprechend wieder über 1,20 hievte. Broker wiederum kamen den „Gelüsten“ der Trader nach und haben den Zugang auf dieses Spielchen auf Messers Schneide mit hoch gehebelten Produkten möglich gemacht. Denn je höher der Hebel, umso geringer die Marginanforderung (s. Artikel „Traden mit Hebel – die richtige Wahl des Hebels„).

Marginanforderung war zu niedrig

Und damit sind wir auch beim Punkt: Es geht um Marginanforderung. Bei der Margin handelt es sich um eine Sicherheitsleitsung, sozusagen um die Hinterlegung eines Pfandes. Dieses Pfand betrug jedoch lediglich ein Bruchteil des tatsächlichen Handelsvolumens.Die Margin ist eine im Voraus zu erbringende Sicherheitsleistung zur Abdeckung von Verlustrisiken.

Wie oben beschrieben, gab es viele Marktteilnehmer, die „long“ im EUR/CHF waren. Diese Marktteilnehmer hatten über ihren Broker eine Sicherheitsleitsung hinterlegt. Diese Sicherheitsleistung hat jeder Broker von seinen Kunden eingefordert. Jedoch: Der eine Broker mehr und der andere weniger. So war es bei einigen Brokern möglich, mit einer geringen Sicherheitsleistung sehr hohe nominale Volumina handeln zu können (z.B. mit Hebel 200). Abgesichert mit einem Stop Loss, für den Fall, dass die Sicherheitsleistung aufgebraucht wird. Dieser Stop Loss lag nach Brancheninsidern wohl größtenteils zwischen 1,19 – 1,195 EUR/CHF.

Ab Donnerstag fiel also die SNB (als bisheriger alleiniger Aufkäufer von Devisen auf dem 1,20 EUR/CHF Level) von jetzt auf gleich aus und schickte den EUR gegen den Franken in den freien Fall. Dieser fand erst wieder Halt unter 1,00 EUR/CHF und erholte sich dann nahe der Parität. Auf dem Weg dorthin (im freien Fall) gab es keinen Käufer, so dass kein Kurs dazwischen zu Stande kam.

Die Sicherheitsleistung (Pfand) war bereits bei den meisten Marktteilnehmern bereits bei dem Level 1,19 EURCHF aufgebraucht und sie wären unter normalen Marktbedingungen auf diesem Level aus dem Markt gekickt worden. Da der erste Kurs nach dem SNB Announcement jedoch  erst unter 1 EUR/CHF festgestellt wurde, müssen jetzt alle Marktteilnehmer diese Differenz, wo sie eigentlich unter normalen Marktbedingungen auf natürliche Weise aus dem Markt gekegelt wurden ?nach schiessen?.

Die sogenannte „Nachschusspflicht“

Die Broker sichern sich nämlich in solchen Fällen ab und es kommt zum sogenannten „Margin Call“. Der Margin Call besagt ansich, dass wenn die Sicherheitsleistung aufgebraucht ist, der Trader zusätzliche Sicherheitsleistung nachschiessen muss, sonst schliesst der Broker zum eigenen Schutz die Position des Traders, wenn er dem Margin Call nicht nachkommt.

Im Falle des Euro Crashes gegen den Franken war der Broker nicht in der Lage, seine Kunden zu einem adäquaten Level aus den Positionen herauszuholen, sondern erst, als wieder Handel auf einem weit tieferem Level möglich war. Diese Differenz muss jetzt in erster Instanz der Broker ausgleichen. Jedoch leitet der Broker diese Differenz an seinen Kunden weiter. Viele der Kunden können der Nachschusspflicht nun möglicherweise nicht nachkommen und der Broker muss dies vorfinanzieren.

Im Falle von Alpari und FXCM überstieg die Nachschusspflicht das hinterlegte Eigenkapital und FXCM musste in einer Nacht und Nebel Aktion gerettet werden. Der Broker Alpari gab in einer Meldung am Freitag, den 16.01.2015 die Insolvenz bekannt, welche er am Sonntag, den 18.01.2015 wieder revidierte (wir berichteten).

Aber hier geht es nicht vornehmlich um die Broker, die in Schieflage geraten sind. Es geht um Menschen, die jetzt plötzlich einer Nachschusspflicht gegenüber stehen, die sie gar nicht aufbringen können. Denn, sofern in den Bedingungen des Brokers die Nachschusspflicht vereinbart ist, wird der Broker diese wohl auch einfordern.

Gibt es einen Schuldigen?

  • DIE SNB?
  • DER BROKER?
  • DER KUNDE DES BROKERS?

Handeln wir die Punkte einmal der Reihe nach ab:

Hätte die SNB anders reagieren können? Die Antwort ist ja, die SNB hätte den Markt darauf vorbereiten können. Sie hätte zumindest im Vorfeld gewisse Äusserungen tätigen können, die den Markt darauf eingestimmt hätten, dass die SNB nicht mehr mit allen Mitteln die Bindung an den EUR forciert. Hätte dies den Sturz des EUR gegen den Franken verhindert? Vielleicht ja, vielleicht nein.

Aber eines hätte die SNB nicht tun dürfen: Kürzlich noch erwähnen, dass sie an der Franken Bindung festhält. Damit hat sie dem Markt ein falsches Signal gegeben, welches jetzt zu den Umwälzungen geführt hat.

Aber muss man einer Nationalbank vertrauen bzw. jedes Wort auf die Goldwaage legen? Erinnern wir uns einmal 3 Jahre zurück. Die Aussage der Bindung an den EUR traf den Markt genauso unvorbereitet wie die jetzige Aufgabe der Bindung an den EUR. Von daher konnte man damit rechnen, dass die SNB irgendwann die Bindung im selben unvorbereitenden Kommunikationsstil wieder aufheben wird.

Hätten die Broker den Verlust Ihrer Kunden, die im Schweizer Franken aktiv waren, abmildern können? Die Antwort ist ja. Denn sie hätten im Vorfeld bereits die Marginanforderungen des Kunden im Schweizer Franken erhöhen können. Dies hätte dazu geführt dass nicht so große Positionen hätten gehandelt werden können. Aber warum hätten die Broker diese Marginerhöhung vollziehen sollen? Ihre Kunden waren doch ganz wild auf den Schweizer Franken und es war für den Broker ein sehr erträgliches Geschäft? Doch, sie hätten! Denn kein ?Free Lunch? hält ewig. Irgendwann ist Schluss mit dem sogenannten ?Funny Money?. Doch hätte der Broker erkennen können, dass die Aufhebung der Bindung an den EURO kurz bevor stand? Vermutlich nicht, da die SNB wie oben erwähnt deutliche Signale gegeben hat, dass sie die Bindung nicht aufheben wird.

Hätte der Kunde, der im Schweizer Franken aktiv war, den Verlust mildern können? Auch hier lautet die Antwort ja! Es wird einem nichts geschenkt und schon gar nicht an der Börse. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein. Wer auf den Free Lunch im EUR gegen den Franken setzte, hätte ahnen müssen, das das Spiel nicht ewig weitergehen wird und hätte im eigenen Risikomanagement kleinen Positionen Vorrang geben sollen. Nichts ist für die Ewigkeit und Gier ist nie ein guter Ratgeber.

Aber ob in diesem Fall die komplette Nachschusspflicht zu Lasten des Kunden (zumindest des Privatanlegers) geht, ist moralisch fraglich. Denn es darf die Frage gestellt werden, ob der Broker gegenüber seinen Kunden der Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Rechtlich vermutlich schon, da dies in den allgemeinen Geschäftsbedingungen so meist hinterlegt ist. Aber hat der Kunde dies auch verstanden? Oder hat der Broker hier auch seinen Tribut zu zollen, da er mit relativ geringen Marginanforderungen den Handel im Schweizer Franken zuließ?

Fazit

Die Broker werden Ihre Risikosysteme auf solch aussergewöhnliche Ereignisse hin überprüfen. Weiterhin werden die Marginanforderungen überdacht und vermutlich erhöht werden. Auch die Regulierungsbehörden werden diesen Vorfall nicht als einmaliges Ereignis abhaken, sondern die Vorfälle genauestens unter die Lupe nehmen.

Der Branche hat dies sicher nicht gut getan, der SNB schon gar nicht. Denn sie hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Privatkunden der Broker, die in die Nachschusspflicht geraten sind, können sich hoffentlich mit ihrem Broker einigen. Denn sie trifft es wohl mit am härtesten.

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