11. Februar 2015, 14:55

Den Ölpreis verlässt wieder die Kraft – Fundamental spricht einiges gegen eine Trendwende

Nach dem freien Fall des Ölpreises von rund 60 Prozent legte der Preis für das schwarze Gold zuletzt eine kräftige Erholungsrallye hin. Von seinem Tief bei knapp 43 US-Dollar für ein Barrel der Referenzsorte WTI zog der Kurs in der Spitze bis auf knapp 54 US-Dollar an, was einem Plus von über 20 Prozent entsprach. Nun allerdings hat der Preis schon wieder den Rückwärtsgang eingelegt und kämpft mit der Marke von 50 US-Dollar. Viele Anleger stellen sich damit eine der wohl spannendsten Fragen an den Finanzmärkten, die es aktuell gibt. Hat der Ölpreis seinen Boden gefunden und kann in diesen Tagen die Trendwende hin zu wieder steigenden Kursen vollziehen oder geht es nach kurzer Erholung nun wieder runter?

Die Angebotsseite reagiert auf den Ölpreisverfall

Zur Beantwortung lohnt der Blick auf die fundamentalen Rahmenbedingungen, aber auch aus technischer Sicht ergibt sich eine interessante Konstellation. Auslöser für die Stabilisierung im Rohölpreis waren unter anderem Berichte des Öldienstleisters Baker Hughes, die einen rapiden Stopp von Ölbohrungen in den USA ausweisen. Zuletzt ging die Zahl der Fördertürme auf das Niveau des Jahres 2011 zurück. Das spricht auf den ersten Blick für eine Verknappung des Angebots. Und einer der Gründe für den rapiden Kursverlust von Rohöl war gerade das erwartete höhere Angebot aus den USA durch Fracking und Schieferölförderung. Da auf dem aktuellen Kursniveau nun viele Förderer gezwungen sind, unrentable Bohrstellen stillzulegen und gleichzeitig die Förderfirmen geplante Investitionen zurückfahren, könnte dieses auf eine Bodenbildung im Ölpreis hindeuten. Dies könnte allerdings verfrüht sein.

Verknappung des Angebots wirkt ? wenn überhaupt ? nur mit Verzögerung

So ist die Anzahl der Fördertürme zwar ein Indikator für die Fördermenge, allerdings lässt sich dies nicht eins zu eins in einen Rückgang der Fördermenge übersetzen. So gibt es einerseits eine Verzögerung von mehreren Monaten auf die Fördermenge, andererseits kann bei verbliebenen Fördertürmen die Produktion ausgeweitet werden. Einige Ölfirmen berichten bereits, dass sie erfolgreich auf den Preisdruck reagieren konnten und ihre Kosten gesenkt hätten. Der Effekt der nachlassenden Investitionen der großen Öl-Gesellschaften bei konventionellen Vorkommen dürfte erst im nächsten und übernächsten Jahr zu größeren Anpassungen im Angebot führen. Hinzukommen die jüngst stillgelegten Fördertürme. Sollte der Kurs wieder anspringen, ist nicht ausgeschlossen, dass diese bei einem entsprechenden Preis wieder ans Netz gehen und so zum Überangebot beitragen. Einer Studie des Energiemarkt-Analystenhauses Deloitte MarketPoint zufolge dürften zudem 2015 große Projekte erschlossen werden, die die Förderkapazität um knapp 1.8 Millionen Barrel am Tag erhöhen könnten.

Viele Länder zwingt die pure Not in die Ölproduktion

Auch die Saudis, die das Spiel des Preis-Dumpings zur Ausschaltung von Konkurrenz für sich entdeckt haben, dürften noch länger die Pipelines unter Hochdruck halten. Russland wiederum dürfte es sich angesichts der wirtschaftlichen Krise im Land nicht leisten können, die Fördermenge zu drosseln, um die Preiserholung zu stützen. Wahrscheinlicher ist, dass sie jede Möglichkeit nutzen werden, auf leicht höhere Preise sofort mit einer Erhöhung des Angebotes zu reagieren. Das gilt auch für die anderen Schwellenländer, dessen Haushalte von der neuen Tiefpreis-Situation betroffen sind. Da nun jeder Ölproduzent sich selbst der Nächste ist, verliert die OPEC ohnehin zusehends an Einfluss.

Auf der anderen Seite lässt die Nachfrage zu wünschen übrig

Die Lager in den USA steigen schon seit Wochen auf immer neue Rekordhochs. Ein potenzieller Rückgang der Fördermenge dürfte zunächst auch von diesem Angebot ausgeglichen werden. So wirkte auch die jüngste Erhöhung der Prognose der OPEC für die weltweite Nachfrage nach ihrem Rohöl um 430.000 Barrel kaum nachhaltig stimulierend für eine Fortsetzung der Erholungsrally im Rohölpreis.

Im Chartbild spiegelt sich Unsicherheit wider

Hinweise auf die weitere Entwicklung dürfte die Charttechnik liefern. Gestoppt wurde die jüngste Rallye genau an der Abwärtstrendlinie vom 30. September sowie dem 5o-Tages-Durchschnitt bei aktuell rund 53 US-Dollar. Damit ist die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Abwärtstrends gegeben. Gleichzeitig bemüht sich der Kurs aktuell um die Rückeroberung der sehr langen Aufwärtstrendlinie von 2001, die er jüngst angeknackst hat. Entscheidend für den weiteren Verlauf könnte sein, ob die 54-Dollar-Marke tatsächlich ganz aufgegeben wird. Sollte bei einem erneuten Erholungsversuch der Ausbruch darüber gelingen, dann könnten kurzfristig 59 US-Dollar anvisiert werden. Sollte der Kurs aber weiter abgeben und noch unter die 47-USD-Marke fallen, ist ein erneuter Test des Jahrestiefs bei etwa 43,30 US-Dollar vorstellbar. Damit wäre auch wieder einen Rückfall unter die langjährige Aufwärtstrendlinie gegeben, wodurch der Rohölpreis schnell sogar die 35-USD-Marke in Angriff nehmen könnte.

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